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Schweizer Familie, Dezember 2011

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«Die totale Stille unter Wasser  ist das Schönste, was es gibt»


Boris Blank, als Kind hat man viele Träume – erinnern Sie sich?
Ich sprang in die Luft und schwebte davon. Während ich wunderbare Landschaften überflog, sah ich immer wieder Menschen, die fragten: Was macht der da oben? Wie kommt er wieder runter?
Fliegen Sie immer noch?
Ja, ich kann immer noch über Bäume und Häuser springen.
Wann kam die Musik in Ihr Leben?
Als Teenager bekam ich eine Gitarre geschenkt. Obwohl ich nicht Noten lesen konnte. Irgendwann waren alle Saiten gerissen, und ich baute im Klangkörper ein Mikrofon ein und benutzte die Gitarre als Trommel. Ich hatte von klein auf ein gutes Rhythmusgefühl.
Nahmen Sie auch andere Geräusche auf?
Ja, den Knall von Schneebällen gegen ein Garagentor zum Beispiel. Oder ich bohrte Löcher in Holz und spielte das Geräusch verlangsamt ab. Je nachdem, wie schnell ich den Aufnahme- und Wiedergabeknopf des zweiten Aufnahmegerätes drückte, entstanden unterschiedlich lange Echos.
Woher kommt diese Affinität für Klangbilder?
Ich sehe nur mit einem Auge. Vielleicht kompensiere ich mit den Tönen das Verlangen nach der fehlenden Dimension.
Gab es Reaktionen auf Ihre Geräuschkulissen?
In der Schule schaffte ich es kaum, ruhig zu sitzen, trommelte ständig mit den Fingern auf das Pult. Eines Tages sagte der Deutsch­ lehrer: «Jetzt reichts, du schreibst bis morgen zwei Seiten zum Thema ‹Klopfzeichen – Verständigungsmittel der Primitiven›.»
War das ein Dämpfer für Sie, weil der Lehrer Ihr Talent nicht erkannte?
Nein, ich war glücklich. Endlich reagierte einer auf meine Töne. Und im Aufsatz schrieb ich, der Lehrer müsse auch ein Primi­tiver sein, da er meine Klopf­zeichen verstanden habe.
Träumten Sie von einer Karriere als Musiker?
Irgendwann war ich sogar so grössenwahnsinnig und glaubte, dass ich dereinst mit meiner Musik nicht nur in Winterthur und Zürich bekannt sein würde, sondern weltweit. Jahre später wurde der Traum Wirklichkeit. Ja, wie durch ein Wunder.
Gibt es das perfekte Lied?
Andere Musiker haben das vielleicht komponiert, ich nicht.
Welche anderen meinen Sie?
«Billy Jean» von Michael Jackson, «Sexmachine» von James Brown.
Begleitet Sie Ihre Musik durch die Nacht?
Unter Druck, etwa während der Produktion einer Yello-CD, erwache ich manchmal in der Nacht und denke: Das ist die Melodie! Meist bleibe ich dann noch etwas wach liegen und gehe den Tönen nach. Im Bett ist es ruhiger als im Studio. Dort sehe ich manchmal vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr.
Haben Sie Albträume?
Nein.
Live auftreten, las ich,  sei ein Albtraum für Sie.
Ich stehe nicht gerne im Rampenlicht, habe extrem Lampenfieber. Darin unterscheiden sich Dieter Meier und ich: Er ist extro vertierter, will und muss immer wieder Luft ablassen. Ich bin zurückhaltender. Und ehrlich gesagt, ein Liveauftritt von mir sähe auch nicht cool aus. Ich sässe hinter einem Turm von Computern, die Frisur noch knapp sichtbar – wie ein Jumbo-Pilot beim Landeanflug.
Wo finden Sie Ruhe?
Im Wald. Ich könnte jeden Tag den gleichen Waldweg ablaufen, mir würde nie langweilig werden.
Ihr Lebenstraum, Musiker zu werden, wurde wahr.  Welche Ziele haben Sie noch?
Ich will demnächst Base-Jumping lernen und Skispringen …
… das ist ein Witz, oder?
Ja.
Gibt es einen Ort, den Sie unbedingt noch sehen wollen?
Die Seychellen würde ich gerne nochmals besuchen. Sie sind ein Tauchparadies. Unter Wasser hörst du absolut nichts. Es herrscht die totale Stille. Für mich das Schönste, was es gibt.

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Boris Blank, 59, ist der Soundtüftler von Yello. Die Zürcher Band besteht seit 1978. Boris Blank und Sänger Dieter Meier gelten als Väter der Elektromusik. Im Echtzeit Verlag erschienen: Die Grossreportage «Yello» von Daniel Ryser.

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