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Schweizer Familie, Mai 2012

«Mala ist meine Liebe, das Wasser meine Geliebte»


Stefan Volery, als Kind hat man viele Träume – erinnern Sie sich?
Ich wollte Indianer werden.
Schwimmen war kein Thema?
Ich ging mit acht das erste Mal ins Schwimmtraining – für heutige Verhältnisse relativ spät.
Träumten Sie damals schon von Titeln und Medaillen?
Der Grund für mein Training war ein anderer: Meine Familie wohnte in einer einfachen Woh nung – es gab weder Dusche noch Badewanne. Meine Mutter schickte mich in den Schwimmclub, damit ich wenigstens einmal die Woche duschen konnte.
Mussten Ihre Eltern Sie motivieren, damit Sie Sport trieben?
Nein. Seit ich denken kann, dreht sich mein Leben um den Sport. Ich spielte auf der Strasse Fuss- und Basketball, fuhr Ski, ging schwimmen, war zwei Jahre im Eishockeyclub.
Ab wann setzten Sie auf die Karte Schwimmsport?
Mit elf brach ich mir ein Bein. Ich musst
e ein Jahr aussetzen mit Eishockey und Fussball. Ins Schwimmbecken konnte ich schneller zurückkehren.
Was fasziniert Sie am Schwimmen?
Sobald mein Kopf unter Wasser ist, bin ich auf mich allein gestellt. Diese Situation hat etwas Entspannendes. Auch weil ich glaube, der beste Freund, den ein Mensch haben kann, ist er selbst.
Schwammen Sie von Anfang an allen davon?
Nein. Ich war nur mässig talentiert, hatte zu viele andere Dinge im Kopf und hing lieber mit Freunden in der Disco herum.
Keine guten Voraussetzungen für eine Karriere als Sportler.
Sie haben recht. Ein Erlebnis hat mich jedoch entscheidend geprägt: Ich war 16, als die Polizei einen meiner besten Freunde verhaftete. Er hatte mit Ha schisch gehandelt. Damals frag te ich mich: Was will ich im Leben erreichen? Wie lautete die Antwort? Fehlte mir früher oft das letzte Stück Motivation, trainierte ich nach dem Vorfall noch härter. Im Sommer darauf ging ich in ein Trainingslager in der walisischen Stadt Cardiff. Während sechs Wochen schwamm ich jeden Tag von früh bis spät. Nach meiner Rückkehr gewann ich an der Schweizer Meisterschaft die erste Medaille.
1985 und 1987 holten Sie zweimal Edelmetall an Europameisterschaften. Die Erfüllung Ihres grossen Traumes?
Es waren tolle Erfolge, natürlich. Der Schwimmsport war jedoch nie mein einziges Lebensziel. Ich lernte dort vor allem fürs Leben. Als Athlet war ich lange Zeit auf mich allein gestellt und musste früh Verantwortung über nehmen.
Wie wichtig sind Ihnen die gewonnenen Titel und Medaillen?
Entscheidend sind die Erlebnisse, bei denen es nicht um Sieg und Medaillen ging.
Das müssen Sie erklären.
Unvergessen wird mir mein Aufenthalt auf La Réunion bleiben. 1989 unternahm ich dort einen Welt- und Europarekord versuch über 50 Meter Freistil. Ich schei terte knapp, doch die Inselbewohner waren so freundlich zu mir, dass die sportliche Niederlage schnell in den Hintergrund rückte.
Welche Bedeutung hat das Element Wasser für Sie?
Meine Frau Mala ist die Liebe meines Lebens, das Wasser ist die Geliebte.
Träumen Sie oft von Wasser?
Ich träume regelmässig, ich komme zu spät zu einem Schwimmwettkampf.
Haben Sie noch andere Schwimmträume?
Hin und wieder absolviere ich einen Wettkampf. Das Publikum ist dabei merkwürdig: Es schauten mir schon Menschen zu, die gestorben sind.
Ein Albtraum?
Ich finde die Szenerie eher belustigend.
Könnten Sie ohne den Schwimmsport leben?
Könnte ich nicht. Ohne Sport würde ich mich spätestens nach zwei Wochen unmöglich benehmen.

Der ehemalige Weltklasseschwimmer Stefan Volery, 51, arbeitet heute als Vermögensverwalter bei einer Privatbank. Während seiner Sportkarriere gewann er zwei Medaillen an Europameisterschaften und nahm viermal an den Olympischen Spielen teil. Er wohnt mit seiner Familie am Neuenburgersee.

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