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​Tagblatt der Stadt Zürich, Juli 2011

Bötschi klatscht​


Exklusiv im «Tagblatt»: Auszüge aus dem fiktiven Tagebuch von Fernsehmoderatorin Monika Fasnacht:


16. Juli: Wie mich diese Debatte über TV-Stars und ihr Alter nervt. Heute titelte der «Blick»: «Frauen ab 50 werden weggeputzt!» Sicher ist: Ich gehöre zur Generation, die sich diesem Modediktat nicht mehr fügt.
19. Aug.: Endlich merkte der «Blick», wie schön ich bin. Ich weiss, die sind nicht mehr die Schnellsten. Ich bekomme so viele Komplimente für meinen neuen Look. Privat sehe ich halt noch besser aus als im TV. Ich habe dem «Blick» auch noch mein Schönheitsgeheimnis verraten: Jahrelang mied ich Kohlenhydrate. Heute esse ich sie. Ein Grillabend mit Brot – darauf freue ich mich.
11. Nov.: Mein Onkel rief an. Er wollte wissen, ob ich das von der «Glückspost» gehört hätte. Wusste erst nicht, was er meint. Ich lese dieses Chäsblatt nicht. Er sagte, ich solle mich setzen, bevor er mir die Lage erkläre: Ich sei unter die grössten TV-Nervensägen gewählt worden. Mein gesamtes Erscheinungsbild werde bemängelt. Ich sei ungeeignet für einen TV-Job. Da konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Ich solle mich nicht unterkriegen lassen, sagt Stefan, mein Schatz.
15. Nov.: Nochmals der Onkel. Er konnte die ganze Nacht nicht schlafen, nachdem er erfahren hatte, dass Urs Kliby, mein Vorgänger beim «Donnschtig-Jass» 1996 mit 46 rausgeschmissen wurde. Lieber Onkel, habe ich gesagt, wir haben doch jetzt bereits 2011. Dass ich 46 bin, sagte ich ihm nicht.
13. Jan. 2011: Heute ist der schlimmste Tag in meinem Leben. Ich wurde als Moderatorin vom «Donnschtig-Jass» abgesägt. Roman Kilchsperger ersetzt mich. Die Zeit sei reif für eine neue Stossrichtung, sagen die Fernsehverantwortlichen. Was soll bitte diese pubertäre Ausdrucksweise? Ich bin nicht reif – schon gar nicht für die Insel.
16. Jan.: «Ade biedere Tante Monika!» freute sich Peter Rothenbühler in der «SonntagsZeitung». Der hatte doch schon als Chefredaktor der «Schweizer Illustrierten» das Gefühl mehrbesser zu sein. Dieser dünnlippige Nichtraucher hat absolut keine Ahnung vom Jassen.
20. Jan.: Ich bin so stolz: Heute der «Glückspost» ein Interview gegeben und mir mit keiner Träne anmerken lassen, wie mich der Rauswurf zerstörte. Es habe nichts mit dem Alter zu tun, antwortete ich. So jung sei Roman auch nicht mehr. Ich kenne ihn schon 20 Jahre. Wir haben schon im Radio zusammengearbeitet. Schon damals hatte jeder seinen Stil. Ich bodenständig, er meist pein . . . äh, proper.
7. Juli: Heute moderierte Roman Kilchsperger zum ersten Mal den «Donnschtig-Jass». Ich weinte, aber nur drei Minuten, dann ging ich golfen.
8. Juli: Heute habe ich mir zwei Stunden lang überlegt, ob ich die Kritiken über den neuen Möchtegern-Oberjasser der Nation lesen soll. Stefan, mein Schatz, hat mir die ganze Zeit die Hand gehalten und Taschentücher gereicht, als ich vor lauter Roman-Lobhudeleien losheulte.
9. Juli: «In Sachen Jass geht nichts über Monika Fasnacht», titelte der «Blick». Das tut so gut. Wenn nur diese Leserbriefschreiberin nicht wäre: «Wenn er noch lernt, während des Jassens seine Dampfplauderischnure zu halten, dann kann er bleiben.» Hat die noch nie etwas von Frauenförderung gehört?
14. Juli: Heute rief Sven Epiney an. Er würde doch nächstes Jahr nach Baku, Aserbeidschan, zum Eurovision Song Contest reisen und ob ich nicht mit dabei sein wolle . . . Muss ich mir aber noch überlegen, ob ich als Assistentin von Roman Kilchsperger beim ESC-Jassturnier auftreten soll?

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