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​Schweizer Familie; 31. Dezember 2009

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Fidschi Romanze in der Südsee


Diese Reise führt in ein Reich aus über 300 Inseln, jede ist lieblicher als ein Garten Eden. Auch ein Wolkenbruch kann die Idylle nicht trüben. Denn nach dem Regen zeigt sie sich nur noch schöner.
 

Grau hängen die Wolken über dem Südpazifik. Seit Tagen schon. Doch jetzt reisst der Himmel auf. Die Gäste an Bord verstummen – sogar Barmann Ben unterbricht das Geklirr mit den Gläsern und blickt hinaus. Wir stehen da, schweigen und blicken in die Ferne. Es ist ein demutsvolles Schweigen. Ausdruck von Hoffnung, die bei manchen schon verloren schien, weggeschwemmt vom Regen. «Schaut, zwei Regenbogen!», ruft plötzlich einer vom Vorderdeck. Alle zücken ihre Kameras.

Wir gleiten mit der MV Fiji Princess, einem weiss-blau getünchten Katamaran für 70 Passagiere, von einer Insel zur anderen. Die «Blue Lagoon Cruise» ist im Archipel der Fidschi-Inseln eine Attraktion wie der «Glacier Express» in der Schweiz. Aufgebrochen sind wir in Lautoka, der staubigen Zuckerrohrstadt im Nordwesten der Insel Viti Levu. «Mainland», sagen die Einheimischen. Festland. Viti Levu und das nördlicher gelegene Vanua Levu sind die beiden Hauptinseln von Fidschi, mehr als 80 Prozent der Landfläche entfallen auf sie. Der Rest verteilt sich auf über 300 Inseln; an die 100 sind bewohnt. Einige haben berühmte Besitzer. Hollywood-Schauspieler Mel Gibson soll die Insel Mago vor 5 Jahren für 16 Millionen Franken gekauft haben.
«Bula!» ist das erste Wort, das ich auf Fidschi lerne. «Hallo!» Bula und Südseetrommeln begleiten einen ständig – am Flughafen, auf der Strasse, im Hotel. Mit «Bula!» begrüsste mich auch Kapitän Vara auf der MV Fiji Princess. Dann schaute er zum Himmel und meinte, die Wetterprognosen seien nicht besonders gut. Vielleicht müsse er die Route kurzfristig ändern. Es kommt anders: Nach den spektakulären Auftritten der Regenbogen am zweiten Abend bleibt die Sonne unsere treue Begleiterin.

Wir ankern vor einem weissen Sandstrand. Ein Stück dahinter erstreckt sich die Silhouette eines Palmenhains. Eine kleine, smaragdgrüne Insel. Und erst die Farben des Meeres – unglaubliches Blau, schillernd zwischen Türkis und Indigo. Kein Mensch kann diesen Ort besuchen, ohne nicht bleiben zu wollen. Die perfekte Umgebung für eine Romanze: Unweit unseres Ankerplatzes vor der Insel Nanuya Lai La wurde Ende der 70er-Jahre der Hollywood-Schmachtfetzen «Die blaue Lagune» mit Brooke Shields gedreht. Die Schiffe der «Blue Lagoon Cruise» gleiten allerdings schon seit 1950 um die Inseln. Bei meiner Ankunft auf Fidschi, eine Woche vor der vier Tage dauernden Kreuzfahrt, wurde rasch klar, dass der Regen und die US-amerikanische Rugby-Nationalmannschaft zum Spielverderber werden könnten. Die einheimische Mannschaft ist, nach Jahren des Erfolgs, am wichtigen «Sevens»-Turnier in Neuseeland schon in der Vorrunde unter Druck geraten. Fidschis Muskelpakete versagten überraschend im Spiel gegen die USA. Rugby ist Nationalsport – und wenn die Nati spielt, steht Fidschi still. Das Land zittert um den Einzug ins Viertelfinal, als wir der Küste Viti Levus entlang Richtung Norden fahren – durch savannenartiges Grasland, nur von einzelnen Bäumen durchsetzt. Die feuchte Südostseite der Insel bedeckt dichter tropischer Regenwald.


Rugby und Regen
Ein paar Kilometer hinter der Bezirksstadt Rakiraki biegt ein Schotterweg Richtung Pazifik ab, windet sich durch Zuckerrohrfelder, führt vorbei an farbigen Backsteinhäuschen, bis wir unser Ziel erreicht haben: das «Wananavu-Resort», unsere Unterkunft. Ben Plummer sitzt an der Rezeption im Haupthaus. Er führt das Hotel gemeinsam mit Rachel Mander. Das Paar stammt aus Australien, kam vor zwei Jahren nach Fidschi und erfüllte sich mit dem Hotel einen Lebenstraum. Die Bungalows des «Wananavu», manche mit eigenem Pool, schmiegen sich unaufdringlich an den Hang, während unten die Brandung rauscht. An diesem Nachmittag pflegen die «Wananavu»-Köche eine Landestradition: Im Lovo, einem Erdofen, verbrennen sie getrocknete Kokosnussschalen und erhitzen Steine. Sie wickeln Fleisch und Brotfrüchte in Palmenblätter, legen sie in die Grube und decken sie mit Sand zu. Nach vier Stunden ist das Essen gar – und göttlich! Auch die Hotelmitarbeiter strahlen an diesem Abend: Fidschis Rugbyspieler haben den Viertelfinal erreicht. Auf der Terrasse meines Bungalows werde ich später Zeuge eines andern wuchtigen Finals: Ein tiefschwarzes Wolkenband drückt Richtung Insel. Dicke Tropfen schlagen in der Ferne aufs Meerwasser. Je näher sie kommen, desto lauter die Schläge. Dann prasselt der Schauer minutenlang über die Hotelanlage. Leicht verdutzt und nass lässt er mich zurück.
Ausgangspunkt aller Fidschi-Reisen ist der Flughafen von Nadi. Ein Bummel durch die Stadt mit ihren 16 000 Einwohnern führt die besondere Bevölkerungsstruktur vor Augen: Von den 838 000 Einwohnern Fidschis sind rund 55 Prozent Fidschi-Insulaner, der Rest sind Inder. Sie wurden von den Engländern geholt, die 1874 den Inselstaat zur Kronkolonie erklärten, Zuckerrohr anbauten und die Inder als Plantagenarbeiter einsetzten. Die beiden Bevölkerungsgruppen leben heute in zwei mehr oder weniger getrennten Gesellschaften. Einzige Ausnahme: wenn Rugby gespielt wird. Nur Hotelmanagerin Mere macht sich nichts aus dem Nationalsport. Mere ist eine grosse, kräftige Frau. Sie arbeitet seit 38 Jahren auf dem Inselresort Castaway – sechs Tage in der Woche, am siebten geht sie zur Kirche. Sie hat als Kellnerin begonnen. Nachts träumt sie manchmal von einem anderen Leben, schaut bis in die Morgenstunde Hollywoodfilme. Sie liebt Brad Pitt und hat letzte Nacht einen Streifen mit Cate Blanchett gesehen.

Castaway ist ein Inselchen vor der Küste Viti Levus. Vielleicht 800 Meter vom einen Ende zum anderen, mit Palmen und Büschen bewachsen, umgeben von Korallen, die bis zur Riffkante nur wenige Zentimeter unter dem Meeresspiegel wachsen. Eines der vielen Inselparadiese im Südpazifik mit wenig berührter Natur, Traumstrand und Sonnenuntergängen, wie ich sie bisher nur von Postern kannte. Mere redet. Und redet. Das Glas australischer Sauvignon blanc zeigt Wirkung. Sie weiss auch, warum es in Nadi heftiger regnet als in der Hauptstadt Suva, wo sie ursprünglich herkommt. Weil die Menschen in ihrer Heimat am Sonntag in die Kirche gehen. In Nadi hocken sie lieber in den Bars – und trinken Kava. Was rein gar nichts mit Cava, dem spanischen Schaumwein, zu tun hat. Das Pulver von zerriebenen Kava-Wurzeln, einer Pflanze aus der Gattung Pfeffer, wird in Holzschalen mit Wasser vermischt. Das Gebräu sieht wie Abwaschwasser aus und schmeckt dementsprechend. Auf dem Markt in Rakiraki brauchte ich etwas Überwindung, als mich drei ältere Herren in ihren «Cava-Salon» einluden. Die Insulaner schwören auf ihre Medizin. Tatsächlich soll die Pflanze entspannend wirken. Ich schlief jedenfalls wunderbar nach der Degustation.

Auf dem Rückweg von Castaway aufs «Festland» lande ich auf einer weiteren Insel: Malolo. «Likuliku», das luxuriöseste Hotelresort auf Fidschi, wurde dort vor drei Jahren eröffnet. Einige der Bungalows, Bures genannt, sind auf Wasser gebaut. In den Böden sind Glasscheiben eingelegt, damit die Gäste nachts die Fische beobachten können. In der Bucht scheint der Pazifik zum See geschrumpft. Es ist wie in Schönheit ertrinken.
 

Sonntagmorgen in der Hauptstadt
Am Tag danach bringt mich die Fähre zurück nach Port Denarau, der Hotelretortenstadt unweit von Nadi. Mit dem Auto gehts weiter Richtung Osten auf der kurvigen Küstenstrasse. Mein Ziel: Suva, Fidschis Hauptstadt und die Heimat von Mere. Es ist Sonntagmorgen, hat nur wenig Verkehr. Ich spaziere die Uferpromenade entlang, vorbei am «Suva Bowling Club». Auf dem gepflegten Grün ist gerade ein Turnier im Gang. Sonst sind die Strassen der Hauptstadt an diesem Morgen wie leer gefegt. Chormusik dringt aus den Fenstern der unzähligen Kirchen. Mere hatte also doch recht, denke ich – als plötzlich ein Platzregen niedergeht.

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